Von Fachkräftemangel bis Bürokratie: Die Betriebe in Deutschland kämpfen mit massiven Belastungen.
Sechs M+E-Unternehmer berichten, was sie konkret beeinträchtigt – und welche konstruktiven Lösungen helfen würden.
Das Jahr 2023 hat sich für die Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie) anders entwickelt als erhofft: Nach einem vielversprechenden ersten Halbjahr haben sich die Vorzeichen gedreht. Die Produktion ist eingeknickt, sie liegt aktuell wieder um 7 Prozent unter dem Vorkrisenstand von 2018. Auch Absatz, Umsatz, Neubestellungen – alles zeigt abwärts.
Wie erklärt sich die Trendumkehr? Da ist zum einen der Weltmarkt, von dem M+E wesentlich lebt – er wächst derzeit kaum. Zum anderen rückt unser Heimatstandort immer stärker in den Brennpunkt: Deutschland kommt nicht auf Wachstumskurs – anders als alle anderen Industrieländer. Energiewende, Digitalisierung, Bürokratie, die hohen Steuern und Arbeitskosten: Alles zusammen überfordert die Betriebe hierzulande zusehends.
Trotz allem hat die Beschäftigung das Niveau von vor Corona beinahe wieder erreicht: Fast 4 Millionen Menschen waren im September bei M+E tätig. Die Betriebe haben alles getan, um Fachkräfte zu bekommen und Aufträge abzuarbeiten. Aber zuletzt gab es wieder mehr Kurzarbeitende und weniger offene Stellen – kein Wunder bei der wirtschaftlichen Entwicklung.
„Wir sind in ganz vielen Bereichen ins Hintertreffen geraten“, urteilt Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf. „Wir brauchen jetzt einen Aufbruch und eine Perspektive für Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen und Arbeitsplätze.“ Dann können Betriebe und Beschäftigte bei M+E ihre ganze Leistungskraft endlich wieder einsetzen.
Interview mit Dr. Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall
Herr Dr. Wolf, die Unternehmen klagen stark über den Standort Deutschland. Aber das ist doch nichts Neues?
Dass etwas nicht mehr funktioniert, merken im Alltag doch alle. An Funk- und Schlaglöcher haben wir uns ja fast gewöhnt. Inzwischen merken alle aber auch, dass der Arbeitsplatz im Nachbarbüro immer länger unbesetzt bleibt, dass die Bürokratie wuchert und dass vom Bruttoentgelt weniger Netto ausgezahlt wird. Als Unternehmerinnen und Unternehmer wollen wir das Gleiche wie unsere Beschäftigten: eine erfolgreiche Industrie, die möglichst viele Arbeitsplätze bieten kann. Da hilft es nichts, wenn wir so tun, als wäre alles in Ordnung.
Also doch wieder „kürzen, streichen, länger arbeiten“?
Zu viel Geld wurde und wird immer noch falsch ausgegeben. Ein Beispiel: Wenn jedes Jahr 50.000 Kinder ohne Abschluss die Schule verlassen, muss dringend gehandelt werden. An jede Schule ausreichend Lehrkräfte und vielleicht auch Sozialarbeiter zu bringen, wäre sinnvoll ausgegebenes Geld. Unser Bildungssystem ist im freien Fall. Die Haushalte müssen systematisch darauf geprüft werden, welche Ausgaben wirklich helfen und welche nicht. Und wir Wähler dürfen nicht nur denjenigen folgen, die Freibier für alle und jeden versprechen.
Und tun die Unternehmen etwas dafür, dass es besser wird?
Unsere Aufgabe ist es, Produkte zu entwickeln, für die Kunden Geld ausgeben. Das gelingt uns ganz gut. Außerdem bilden wir unseren Nachwuchs selbst aus. Wir haben in der Metall- und Elektro-Industrie über 180.000 Auszubildende und geben pro Jahr über vier Milliarden Euro für Weiterbildung aus. Und wir haben hier tolle Mitarbeiter. Wir wollen nicht weg, wir wollen den Standort wieder stark machen – aber jede Investition muss sich nun einmal am Ende rechnen.
Foto: Amin Akhtar
Die Stromgrundpreise sind immer noch unser größtes Problem. Im Jahr 2022 waren sie zeitweilig um das Zehnfache höher als in den Jahren zuvor.
Die Strompreisbremse hat zu keinerlei Entlastung geführt. Für ein stromkostenintensives Unternehmen wie unseres ist das nicht zu verkraften und führt unweigerlich in die Insolvenz, wenn es nicht gelingt, diese Kosten weiterzugeben.
Die Politik muss energieintensive Unternehmen jetzt schnell entlasten. Helfen könnte, die Energiekosten auf europäischer Ebene zu harmonisieren – durch einen Brückenstrompreis. Zudem sollte die CO2-Steuer eingefroren werden, um die Energiepreise nicht noch weiter nach oben zu treiben.
Holger Müller & Alexander Schwaiger,
Geschäftsführer
Hammerwerk Fridingen, Fridingen an der Donau
Stahlumformung, u. a. für die Nutzfahrzeugindustrie
Uns fehlen Fachkräfte in nahezu allen Produktionsbereichen der Triebwerksinstandsetzung. Das könnte dazu führen, dass wir das vereinbarte Volumen an Triebwerken in Zukunft womöglich nicht überholen können.
Von der Bundes- beziehungsweise Landespolitik erwarten wir Maßnahmen, die die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Thüringen nachhaltig verbessern: erleichterte Anerkennung von ausländischen (Aus-)Bildungsabschlüssen, eine zielführende Visavergabestruktur, Unterstützung im Standortmarketing sowie die Schaffung einer Infrastruktur, um Fachkräfte in unserem Bundesland zu halten. Dazu gehören Wohnraum, ein bedarfsgerechtes ÖPNV-Netz sowie Bildungseinrichtungen.
Stefan Landes,
Geschäftsführer
N3 Engine Overhaul Services, Arnstadt
Triebwerksüberholung
Früher konnten die einzelnen Abteilungen bei uns sich selbst darum kümmern, dass sie die relevanten gesetzlichen Berichtspflichten erfüllen. Doch die Bürokratie hat so stark zugenommen, dass wir nun immer mehr Mitarbeiter einstellen müssen, die sich mit nichts anderem als regulatorischen Aufgaben befassen.
Ständig gibt es neue Vorgaben auf EU-, nationaler oder gar regionaler Ebene zu erfüllen. Wir haben das mal ausgerechnet: Ganze 5 Prozent unseres Umsatzes müssen wir für diese Tätigkeiten aufbringen. Das ist fatal, denn eigentlich wäre es viel sinnvoller, das Geld in Forschung und Entwicklung zu stecken. Die Bundesregierung muss endlich gegensteuern – und das Prinzip umsetzen: Bevor eine neue Vorgabe eingeführt werden kann, muss zwingend geprüft werden, ob sich dafür eine andere abschaffen lässt.
Marcus Korthäuer,
Geschäftsführender Gesellschafter
Espera-Werke, Duisburg
Herstellung von Messgeräten
Wir kämpfen als Familienunternehmen seit jeher für den Standort Deutschland und Produkte „made in Germany“. Aber es ist eine enorme Belastung, dass wir hierzulande neben vielen anderen Herausforderungen mit die höchsten Unternehmenssteuern weltweit haben.
Jeder Euro, den wir nicht in Investitionen stecken können, ist ein verlorener Euro für die Zukunft. Bestimmt nicht motivierend ist die aktuelle Debatte über die Erbschaft- und Vermögensteuer. Damit wir in Deutschland wettbewerbsfähig bleiben, muss die Steuerbelastung sinken – und nicht noch weiter steigen.
Alexander Peters,
Geschäftsführender Gesellschafter
Neuman & Esser,
Übach-Palenberg
Herstellung von Elektrolyseuren und Kompressoren
Bislang konnten wir die Personalkosten noch stemmen. Aber wenn ich höre, welche Ideen aktuell unter Gewerkschaftern kursieren, mache ich mir große Sorgen. Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich und noch satte Prozente obendrauf – das würde unser Unternehmen gar nicht verkraften.
Aktuell sind wir so ausgelastet, dass es dramatisch wäre, wenn unsere Mitarbeiter alle weniger arbeiten würden. Wenn wir die Lohnkosten an unsere Kunden weitergeben, verlieren wir definitiv Aufträge ins Ausland. Dann sind auch Arbeitsplätze gefährdet. Die Lösung: verantwortungsvolle Tarifverhandlungen!
Michael Grenz,
Geschäftsführer
Hanseatic Power Solutions,
Norderstedt
Bau von Schaltanlagen
für Notstromaggregate
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Stichwort: M+E-QUIZ
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Spielregeln: Teilnahmeberechtigt sind alle Leser der M+E-Zeitung. Eine Teilnahme über Gewinnspielclubs oder sonstige gewerbliche Dienstleister ist ausgeschlossen. Die Gewinner werden unter allen richtigen Einsendungen ausgelost. Einsendeschluss ist der 19. Januar 2024. Es gilt das Datum des Poststempels. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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