Jetzt zählt's! Standort stärken!

Bereits in der zweiten Runde der laufenden Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektro-Industrie (M+E) haben die Arbeitgeber ihr Angebot vorgelegt. Das Ziel: Betriebe und Beschäftigung stärken – in wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten.

Das Angebot konkret: eine Erhöhung der Tarifentgelte um insgesamt 3,6 Prozent in zwei Stufen, bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Zudem ist eine einmalige überproportionale Anhebung der Ausbildungsvergütungen im Tarifabschluss im Rahmen eines Gesamtpakets vorstellbar.

Fest steht: Es ist jetzt Zeit für Lösungen in der M+E-Tarifrunde 2024. Denn während die Weltwirtschaft wächst, steckt M+E in der Rezession. Absatz, Umsatz, Neuaufträge – alles sank im Jahresverlauf weiter. Die M+E-Produktion liegt aktuell um 15 Prozentpunkte unter dem Vorkrisenniveau von 2018. Die Hoffnungen auf eine baldige Besserung sind zerplatzt. Grund ist nicht nur die Konjunkturschwäche. Laut Ifo-Institut schätzen die M+E-Betriebe ihre weltweite Wettbewerbsfähigkeit aktuell so schlecht ein wie nie zuvor. M+E setzen die grundlegenden Probleme des Standorts Deutschland immer stärker zu: Hohe Kosten für Energie und Arbeit, überbordende Bürokratie, das schwächelnde Bildungssystem, marode Verkehrswege – das sind nur einige Beispiele. Kein Wunder, dass wichtige Zukunftsinvestitionen, etwa in Maschinen und Anlagen, verstärkt ins attraktivere Ausland fließen.

Wieder aufwärts geht es nur, wenn der heimische Industriestandort gestärkt und Beschäftigung gesichert werden kann. „Wir wollen in der Tarifrunde zu einer schnellen Lösung kommen. Deshalb haben wir bereits jetzt ein Angebot gemacht“, betont Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf. Warn- oder gar Tagesstreiks wären jedoch völlig fehl am Platz. Der Tarifabschluss muss Unternehmen und Beschäftigten Planungssicherheit und Verlässlichkeit bieten, unterstreicht Wolf. „Wir wollen eine Lösung, die den Standort stärkt.“

„Zeichen an Unternehmen und Beschäftigte“

Interview mit Dr. Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall

Herr Dr. Wolf, die Arbeitgeber haben bereits in der zweiten Verhandlungsrunde der aktuellen Tarifrunde ein Angebot vorgelegt. Warum?

Wir wollen in dieser Tarifrunde zu einer schnellen Lösung kommen. Deshalb haben wir bereits jetzt ein Angebot gemacht. Das ist sicher nicht das, was sich die Gewerkschaft vorgestellt hat. Aber es ist ehrlicherweise auch mehr, als sich viele tarifgebundene Unternehmen im Moment leisten können. Daher brauchen wir auch Lösungen für die Unternehmen, die derzeit eine solche Erhöhung nicht stemmen können. Es ist ein Zeichen an die Unternehmen für Planungssicherheit und gleichzeitig ein Zeichen an die Beschäftigten, dass wir sie trotz der schwierigen Lage wertschätzen.

Die IG Metall fordert ja 7 Prozent. Wie wollen Sie da je zusammenkommen?

Wir sind mit der IG Metall einig darin, dass die Lage der Branche ausgesprochen kritisch ist. Aber wir haben kein Wachstum, im Gegenteil: Für die große Mehrheit der Branche gilt, dass die Auslastung zurückgeht, die Produktion sinkt, der Auftragseingang mau ist. Die Produktivität sinkt, während unsere Lohnstückkosten in die Höhe schießen. In so einer Lage müssen wir alles dafür tun, den Standort zu stärken. Darüber werden wir jetzt mit der Gewerkschaft weiter reden müssen.

Und Sie glauben, dass das reicht?

Ich bin überzeugt davon, dass wir rasch zu einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiss kommen müssen. In so einer schwierigen Zeit müssen wir Tarifpartner beweisen, was wir können. Die Lage wird ja nicht besser, wenn man künstlich Streit sucht oder auch zu Streiks aufruft. Wir wollen eine Lösung, die den Standort ​stärkt. Wenn wir das hinbekommen, können wir auch viel glaubwürdigere Ergebnisse von der Politik verlangen – im Sinne der Unternehmen und Beschäftigten.

Foto: Amin Akthar

Was die Lage so schwierig macht

Je länger die Krise anhält, desto klarer wird: Der Standort Deutschland muss wieder für Betriebe und Beschäftigung attraktiv werden. Warum er das derzeit nicht ist – hier sind einige Beispiele.

“Im Zuge der Transformation stehen viele Investitionsentscheidungen an. Immer häufiger werden diese gegen Deutschland getroffen – weil es hier sehr teuer ist und die Rahmenbedingungen sich seit Corona deutlich verschlechtert haben.”

Hans-Jörg Vollert, Geschäftsführender Gesellschafter, Vollert Anlagenbau GmbH, Weinsberg

“Bildung muss wieder cool – und damit konsequent digital – sein. Mehr Leistungsbereitschaft und etwas weniger Work-Life-Balance sehe ich als einen weiteren wichtigen Baustein.”

Dr. Till Scharf, Vice President, Boysen Gruppe, Altensteig

"Wir stehen im Wettbewerb mit Firmen aus Osteuropa, Indien, China. Steigende Löhne können wir deshalb nicht einfach über höhere Preise weitergeben. Unsere Produktivität nimmt kaum noch zu. Höhere Personalkosten würden unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich schmälern."

Dr. Heiko Dittmer, Geschäftsführer, KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH, Berlin

"Wir appellieren an den Tarifpartner, verantwortungsvoll in diesen Zeiten zu agieren. Gemeinsam müssen wir daran arbeiten, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiv wird. Ein für alle Seiten tragfähiger Tarifabschluss ist ein wichtiger Baustein dafür."

Dr. Lars Ischebeck, Geschäftsführer, Friedr. Ischebeck GmbH, Ennepetal

"Als Instandhalter sehen wir: Aktuell halten viele Firmen Anlagen funktionstüchtig, statt sie zu modernisieren. Das bringt uns Aufträge, aber die Wirtschaft verliert Produktivität. So kann man im Wettbewerb mit Asien oder Osteuropa nicht bestehen."

Christian Vogelsang, Geschäftsführer, Vogelsang Elektromotoren GmbH, Bochum

Fotos: Unternehmen

M+E-Quiz

Einbruch

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